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Auch das noch

Phantom-Gendern: Das „gefühlte“ Geschlecht der Gendersprachler

Veröffentlicht am 5. 1. 2025, aktualisiert am 16. 1. 2025.

Mit dem „Geschlecht“ ist das so eine Sache. Es gibt nur zwei davon, sagen die einen, es gibt viele, sagen die anderen. Ich werde im Folgenden versuchen, die einzelnen „Geschlechter“ ein wenig zu sortieren, und zwar als Begriffe und deren Bedeutungen.

Zunächst gibt es das Geschlecht, das wir alle kennen, das biologische (oder natürliche) Geschlecht. Der englische Ausdruck dafür ist „sex“. Das biologische Geschlecht ist verteilt auf zwei mögliche Ausprägungen, männlich und weiblich. Daneben ist häufig die Rede von einem „dritten Geschlecht“. Dieser Ausdruck ist irreführend, denn ein drittes biologisches Geschlecht gibt es nicht, auch wenn das in Genderkreisen behauptet wird. Der Gesetzgeber hat selbst nie diesen Ausdruck verwendet, er spricht lediglich von einer dritten Option des Geschlechtseintrags für Personen, die, aus welchen Gründen auch immer, sich weder zu dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zählen können oder wollen.

Seit einigen Jahrzehnten sprechen wir in Deutschland auch von einem „sozialen“ Geschlecht, englisch „gender“. Gender umfasst u. a. die sexuelle Orientierung, die Geschlechtsidentität, aber auch das soziale Rollenverständnis der Geschlechter. Die Zahl der „sozialen Geschlechter“ ist von der Definition dieser „Geschlechter“ abhängig. Laut Facebook sollen es etwa 60 sein.

Im Deutschen hat das Geschlecht noch weitere Bedeutungen. Zu nennen ist hier das grammatische Geschlecht, englisch: „grammatical gender“. Die deutsche Sprache kennt drei grammatische Geschlechter, viele würden sie als „männlich“, „weiblich“ und „sächlich“ bezeichnen. Erkennbar sind diese „Geschlechter“ an den Artikeln „der“, „die“ und „das“ (im Nominativ Singular). Das Englische als germanisch-romanische „Mischsprache“ kennt ebenfalls diese drei grammatischen Geschlechter, die aber an den Substantiven (Nomen) fast nie erkennbar sind. In den meisten romanischen Sprachen gibt es nur zwei davon, einige Sprachen kennen kein grammatisches Geschlecht, z. B. Finnisch, Ungarisch oder Türkisch.

Auch im übertragenen Sinn wird vom Geschlecht gesprochen. Dabei ist weder das grammatische noch das soziale noch das biologische Geschlecht gemeint, sondern die Zugehörigkeit zu einer Abstammungslinie, z. B. das Geschlecht der Habsburger.

Ich werde nachfolgend nur die Beziehungen zwischen dem biologischen und dem grammatischen Geschlecht betrachten, denn nur diese beiden sind im Zusammenhang mit der Gendersprache relevant.

Auffallend ist zunächst, dass im Deutschen sowohl für das grammatische als auch für das biologische Geschlecht der gleiche Ausdruck „Geschlecht“ verwendet wird. Das könnte zu der Vermutung führen, beide „Geschlechter“ hätten funktionell etwas miteinander zu tun oder das eine wäre aus dem anderen entstanden oder von ihm abgeleitet. Diese Ansicht wird in Genderkreisen auch tatsächlich vertreten. Die meisten namhaften Linguisten widersprechen dieser Ansicht allerdings und vertreten die gegenteilige These, dass nämlich das grammatische Geschlecht von dem biologischen weitgehend unabhängig ist. Ohne die Verwendung des gleichen Ausdrucks „Geschlecht“ für so grundsätzlich verschiedene Dinge hätte es möglicherweise im deutschsprachigen Raum den sprachlichen Genderstreit nie gegeben.

Wenn wir also von „Geschlecht“ sprechen, ist es sinnvoll und hilfreich, diese beiden Bedeutungen sauber voneinander zu trennen. Das biologische Geschlecht teilen wir normalerweise in „weiblich“ und „männlich“ ein. Um Verwechslungen mit dem grammatischen Geschlecht zu vermeiden, ist es ratsam, dafür nicht dieselben Ausdrücke zu verwenden. Begriffe aus dem Lateinischen bieten sich an: maskulin, feminin, neutrum, und diese werden in der Sprachwissenschaft auch verwendet. Auch das „Geschlecht“ heißt in der Linguistik Genus (Plural: Genera), um es vom biologischen Geschlecht, dem Sexus, klar unterscheiden zu können. Warum das wichtig ist, wird im Folgenden deutlich.

Ich beginne mit einer Aussage des ARD-Vorsitzenden und Intendanten des SWR, Kai Gniffke, in der Tagesschau vom 27.09.2024 (Minute 13:06).

„Die Länder sind die Gesetzgeberinnen […]“ sagte er dort.

„Gesetzgeberinnen“? Woran denkt man dabei und woran dachte wohl auch Herr Gniffke in diesem Interview? An Frauen. Doch was ist daran falsch?

Gesetzgeber ist ein abstrakter Begriff, aber keine Person. Eine „Gesetzgeberin“ ist formal eine, wie Sprachwissenschaftler sagen, markierte Form von „Gesetzgeber“. Diese Sexusmarkierung nennen Linguisten Movierung. Die Movierung dient ausschließlich der Bezeichnung des biologischen Geschlechts, fast immer des weiblichen. Sexusmarkiert kann also nur jemand sein, der einen Sexus besitzt, also eine Person oder gegebenenfalls auch ein Tier. Eine „Gesetzgeberin“ wäre demnach eine Frau. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall und daher gibt es keine Gesetzgeberinnen, sondern nur Gesetzgeber, die im Übrigen keine Männer darstellen, nicht einmal ein generisches Maskulinum.

Was ist wohl der Grund für diesen Fehler? Vermutlich hat Herr Gniffke das biologische Geschlecht mit dem grammatischen, dem Genus, verwechselt. Aber damit ist er nicht allein. Hier folgt eine Aufzählung weiterer falsch gegenderter Formen:

Im Deutschlandfunk (DLF) vom 06.11.2024 wurde die Europäische Union als „Partnerin bezeichnet (Minute 2:02).

Die Stadt Freiburg bezeichnet sich im behördlichen Schriftverkehr als „Zahlungsempfängerin, „Antragstellerin und „Zuwendungsempfängerin.

Auch das Bundesfinanzministerium verweist auf eine „Zahlungsempfängerin und meint damit eine Bundeskasse.

Weitere „Zahlungsempfängerinnen“ sind beispielsweise die Gemeinde Seelbach und die Georg Thieme Verlag KG.

Den „Energieversorgern“ wurden von der parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, die „Energieversorgerinnen“ an die Seite gestellt.

„Die Europäische Union ist die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz und die Schweiz ist wiederum die viertgrößte Handelspartnerin der EU“ meldete Anita Westrup am 28.12.2024 im DLF (Minute 1:12).

Die „Presseschau“ des DLF vom 13.12.2024 zitierte die Frankfurter Rundschau mit der Aussage „Ob die Miliz sich aber als Wächterin der Menschenrechte entpuppt, […]“.

Am folgenden Tag reihte selbst die F.A.Z., namentlich ihr Redakteur Reinhard Müller, sich in den Club der Gender-Übererfüller ein. Ebenfalls in der Presseschau des DLF wurde sie zitiert mit: „[…] die FDP [will] nicht als Totalverweigerin auch eigener Projekte dastehen.“

Im ARD-Sender „alpha“ wurde am 30.03.2024 eine BBC-Produktion ausgestrahlt (und am 02.01.2025 wiederholt), in der es um die Inselkette Hawaii ging. In der deutschen Fassung (von „ARTAUDIO Köln“) hieß es: „Das Ergebnis [der Wanderung der tektonischen Platte] ist eine Kette von Inseln, jede jünger als ihre Vorgängerin (Minute 9:12, verfügbar bis 29.01.2025).

Der britische Sunday Telegraph spricht in seiner deutschen DLF-Übersetzung in der Presseschau des Senders am 05.01.2025 von der „libanesischen Hisbollah“ als „Stellvertreterin Teherans“.

In der DLF-Presseschau vom 13.01.2025 war zu hören (Minute 1:06): „Dabei ist sie [die AfD] so leicht als Täterin abstruser Ziele auszumachen.“ Zitiert wurde die F.A.Z., in der aber im Gegensatz zur hörbaren Version des DLF nicht von einer „Täterin“, sondern korrekterweise von einem „Täter“ gesprochen wurde. Hier hat also der DLF seinen „Gender-Senf“ dazugegeben.

Der Sportjournalist Julian Tilders sagte im DLF vom 14.01.2025 (Minute 2:08): „Die deutsche Fußballliga ist als Mitveranstalterin der Fußballspiele auch mit […] verantwortlich.“

In einem Bericht von C. Schneider, J. Henrich, K. Weisgerber in der ZDF 19 Uhr heute-Nachrichtensendung vom 14.01.2025 hieß es (Minute 1:37): „Bremen reicht [die Kosten] an die DFL als Organisatorin des Profifußballs weiter.“

In den 6 Uhr Nachrichten des DLF vom 16.01.2025 (Minute 5:34) wurde gemeldet: „Die Nachfolgerin [gemeint ist die italienische Fluggesellschaft ITA Airways] der in Konkurs gegangenen staatlichen Fluglinie Alitalia wird künftig von Lufthansa-Manager Joerg Eberhart geführt.“

(Eigene Hervorhebungen durch Fettdruck.)

Diese „gefühlte Weiblichkeit“ findet sich nicht nur bei „gefühlten“ Menschen, sondern auch im Tierreich. „Eine Vertreterin der bedrohten Tierarten ist die Gran Canaria Rieseneidechse […]“, war bei n-tv zu lesen. „Die Eidechse“ hat zwar ein feminines Genus, ist aber deshalb nicht weiblich und daher auch keine Vertreterin, sondern ein generisches Femininum, steht also für beide biologischen Geschlechter. „Die Maus“ ist genauso wenig weiblich wie „der Vogel“ männlich ist. Wäre es so, hätte „das Pferd“ überhaupt kein biologisches Geschlecht.

Ist das alles nur Verwechslung von Genus und Sexus oder steckt mehr dahinter?

Wie man sieht, haben z. B. Gesetzgeber, Antragsteller, Zuwendungsempfänger, Zahlungsempfänger, Energieversorger, Wächter, Totalverweigerer, Vorgänger, Stellvertreter, Täter, Mitveranstalter, Organisator, Nachfolger und Vertreter etwas gemeinsam. Es sind Nomen agentis (Nomen, die sich von einem „handelnden“ Verb ableiten), sie besitzen ein maskulines Genus, sind aber keine generischen Maskulina und sie tragen, „Organisator“ ausgenommen, die Endsilbe „-er. Wie beim Pawlowschen Hund, der auf den konditionierten Reiz mit erhöhtem Speichelfluss reagiert, signalisiert der „er-Reiz“ Gendersprachlern offenbar biologische „Männlichkeit“, auf die mit dem Genderprogramm reagiert wird.

Zu dieser „gefühlten Männlichkeit“ trägt die Paarnennung in großem Maße bei, siehe „Schülerinnen (nur weiblich) und Schüler“ (nur männlich), auch wenn ihr Gebrauch meist floskelhaft ist („Bürgerinnen und Bürger“). Da wundert es auch nicht, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz, als Genderfreund bekannt, von einer „Kinderkrankenschwesterinspricht, und es erklärt, warum Anglizismen wie „User“, „Follower“ oder „Influencer“ gegendert werden („Userinnen und User“, „Followerinnen und Follower“, „Influencerinnen und Influencer“), nicht aber „Fan“ oder „Star“.

Doch auch ohne dieses „-er-Signal wird oft das Genderprogramm aufgerufen. Bereits ein maskulines Genus gaukelt so manchem „Männlichkeit“ vor. Beispielsweise besitzt „der Mensch“ neben dem maskulinen Genus einen unbestimmten Sexus. Doch für einige hat „der Mensch“ anscheinend einen männlichen Sexus. „Der Mensch mit seinen oder ihren Bedürfnissen“ war so oder so ähnlich im Deutschlandfunk zu hören. Wie bitte? „Der Mensch“ mit „seinen oder ihren“ Bedürfnissen? Wieso „ihren“? „Der Mensch“ trägt ein maskulines Genus und hat deshalb „seine“ Bedürfnisse. Auch der weibliche Mensch hat „seine“ Bedürfnisse, nicht „ihre“. Mit diesem „seine“ sind beileibe nicht die Bedürfnisse eines Mannes gemeint, wie „Genderinnen“ vielleicht argwöhnen könnten. Der Possessivartikel „seine“ richtet sich nach dem Genus des Nomens, für das er steht, nicht nach dessen Sexus (sofern vorhanden). „Die Person“ mit ihrem femininen Genus hat aus diesem Grund „ihre“ Bedürfnisse.

Etwas anders liegt der Fall bei Nomen, bei denen ein fester Sexus vorliegt, das Genus dem aber nicht entspricht, insbesondere dann, wenn der Sexus weiblich ist, z. B. „das Mädchen“:

„Das Mädchen spielte mit seiner Lieblingspuppe. Sie war ein Geschenk seiner Tante.“ „Seiner“ Lieblingspuppe und „seiner“ Tante sind grammatisch richtig, erlaubt und stilistisch vermutlich besser ist aber auch „ihrer“ Tante. Dieser Sonderfall liegt bei „Mensch“ oder „Person“ aber nicht vor, denn diese beiden Nomen haben keinen festen, sondern einen unbestimmten Sexus. Wer also „der Mensch“ gendert, indem er seinen Possessivartikel gendert, tut das wohl nur, weil er dem „Menschen“ einen männlichen Sexus andichtet.

Würde er es bei „die Person“ auch entsprechend tun? „Die Person und seine oder ihre Bedürfnisse“? Das ist höchst unwahrscheinlich. Und warum? Weil „die Person“ bereits einen weiblichen Sexus zu haben scheint. In „die Person“ ist scheinbar die Frau „sichtbar“ und der Mann „unsichtbar“. Ja, wenn das so ist, erübrigt sich das Gendern natürlich.

Aber das maskuline Genus (z. B. „Wächter“) in Kombination mit dem „-er-Signal allein kann es nicht sein. Anders als bei „die Miliz […] als Wächterin“ würden selbst orthodoxe Genderer nie „Das Militär als Wächterin“ sagen. Hat das Bezugswort („Miliz“), auf das sich die Erläuterung („Wächter“) bezieht, aber ein feminines Genus, erkennbar am Artikel „die“ (im Nominativ), reicht das offensichtlich aus, um das Genderprogramm (für „Wächter“) aufzurufen. Gleiches gilt für „die FDP […] als Totalverweigerin“ oder „die Schweiz ist […] Handelspartnerin“. Das scheint bei diesen Beispielen auf alle Nomen zuzutreffen, die ein feminines Genus haben: die Europäische Union, die Stadt, die Bundeskasse, die Gemeinde, die KG, die Schweiz, die Miliz, die FDP, die Insel, die Hisbollah, die AfD, die Fußballliga bzw. die DFL, die Fluggesellschaft, die Eidechse. Das Bezugswort „die Länder“ und weiter unten der Ausdruck „die Mitglieder“ stellen spezielle Fälle dar, auf die ich gesondert eingehen werde.

Man kann daher davon auszugehen, dass bereits ein feminines Genus, erkennbar am Artikel „die“ (im Nominativ, Singular), als Gendersignal dient (noch ein Pawlowscher Hund?). „Die“ lautet (im Nominativ) aber auch der Artikel für (fast) alle Nomen mit weiblichem Sexus. Da kann man schon mal durcheinander kommen und dort einen Sexus verorten, wo nur ein Genus ist. Aber um sicher zu gehen, auch ja keinen weiblichen Sexus ungegendert (ohne Movierung) zu übergehen, scheint es besser zu sein, ein Nomen zu gendern, das keinen Sexus besitzt, als ein Nomen mit weiblichem Sexus nicht zu gendern. Dieses Risiko will man lieber nicht eingehen, denn die gesellschaftliche Gendererwartung scheint ziemlich groß zu sein. Lieber folgt man der Devise: Wir gendern alles, was mit „die“ anfängt und mit „er“ aufhört. Dann muss man aber damit leben, dass einem der Fehler unterlaufen kann, sogar den Stellvertreter Irans namens Hisbollah zu gendern, hoffentlich nicht aus „Respekt“, mangelnder „Sichtbarkeit“ und „besonderer Frauenfreundlichkeit“.

Doch es kommt noch besser. Susanne Schumann von der Zeitschrift „Brigitte“ spricht von „Mitglieder:innen“, was wohl für „Mitglieder und Mitgliederinnen“ stehen soll. Von „IG Metall-Mitgliederinnen und –Mitgliedern“ berichtet im DLF auch Thomas Wagner (Minute 0:30). Dabei besitzt „das Mitglied“ keinen bzw. einen unbestimmten Sexus und das Genus Neutrum, wie „das Kind“. Im Singular gibt es also keinen Grund zu gendern. Doch im Plural wird „das Mitglied“ zu „die Mitglieder“, und plötzlich sind zwei starke Genderreize entstanden. Nicht nur die Endsilbe „-er in „Mitglieder“ sondern auch der Artikel „die“ stehen plötzlich im Raum. Und siehe da, prompt setzt bei Frau Schumann die Genderproduktion („Mitglieder:innen“ bzw. „Mitglieder und Mitgliederinnen“) ein, ebenso bei Herrn Wagner. Da scheint es auch keine Rolle zu spielen, dass hier der Artikel „die“ für den Plural steht.

Dadurch scheint sich wohl ein großes, neues Feld zu eröffnen, auf dem sich „Gendernde“ ihrem inneren Verlangen mit voller Hingabe widmen können. Dass diese Form des Genderns weit über das Ziel hinausschießt und nicht nur dumm, sondern töricht ist, scheint die wenigsten zu interessieren.

Stattdessen wird zur allgemeinen Verwunderung im Plural ein weiblicher Sexus aus dem Hut gezaubert – Geschlechtsdifferenzierung durch Pluralbildung. Als geübter Genderer hat man offenbar verinnerlicht, dass „-er ein Signal für biologische Männlichkeit und „die“ eines für biologische Weiblichkeit sein müsse. Auch wenn diese „Männlichkeit“ nur ein Phantom ist, scheint sie Grund genug zu sein, auch auf die „Weiblichkeit“ zu verweisen. Und diese „Weiblichkeit“, auch die scheinbare, „gefühlte“, muss in Genderzeiten immer genannt werden, unabhängig vom Vorliegen einer „Männlichkeit“.

Analog zu Frau Schumanns „Mitgliederinnen“ wären übrigens „Kinder“ männlich und „Kinderinnen“ weiblich. Und noch etwas: Einen Mitgliederausweis könnten Frauen dann nicht bekommen, und der Kindergarten wäre nichts für Mädchen.

Auch Herr Gniffke hat sich wie Frau Schumann und Herr Wagner von dem „Plural-die“ auf die falsche „Sexus-die“-Fährte führen lassen. Zur Überprüfung der Aussage kann man fragen, ob er am Beispiel seines oben zitierten, im Plural stehenden Satzes auch im Singular gegendert hätte:

„Das Land ist der/die Gesetzgeber/in“.

Nie und nimmer, behaupte ich. Am „-er-Reiz“ (Gesetzgeber) allein kann es also nicht liegen. „Das Land“ hat wie „das Mitglied“ das Genus Neutrum. Gerade ein Neutrum liefert nun wirklich den geringsten Grund zu gendern. Im Gegensatz zu „Mitglied“, einem Ausdruck, der gegebenenfalls für eine Personenbezeichnung steht und bei der man dann einen Sexus erwarten könnte, ist „das Land“ in jeder Hinsicht sexusfrei. Weniger Sexus geht kaum. Doch Herr Gniffke findet auch bei „Land“ einen Grund zu gendern, als SWR-Intendant muss er ja Vorbild sein. Man setzt „das Land“ einfach in den Plural, dann hat man den Artikel „die“. Dazu noch den Genderreiz „-er, sogar zweimal („Länder“, „Gesetzgeber“), und schon gelingt das Gendern wie von selbst.

Wenn aber bereits ein feminines Genus, ja sogar der reine Plural eine Movierung und damit das Bild von Weiblichkeit auslöst, gibt es vermutlich neben der Genus-Sexus-Verwechsung noch mehr Gründe für solch ein „Phantom-Gendern“.

Die gesellschaftliche Gewöhnung an das Gendern dürfte dabei kaum zu überschätzen sein. Wer gegenderte Sprache tagtäglich hört oder liest, für den klingt sie irgendwann vertraut, ja so selbstverständlich, als hätte er sie schon immer gesprochen. Sie wird zu seiner Sprache. Wenn die ständig auf uns einprasselnden „-ins“ und „-innen“ der Paarnennung nicht, wie bei mir, zu einen Abwehrhaltung führen, könnten sie bei vielen einen Gewöhnungseffekt zur Folge haben und zu der Einschätzung führen, dieses Gendern sei völlig normal, ohne selbst darüber viel nachzudenken. Dieses „Das-macht-man-so-Gefühl“ oder „Das-machen-doch-alle-Gefühl“ und das damit verbundene „Das-ist-eine-gute-Sache-Gefühl“ mag nichts anderes als unreflektiertes Nachplappern sein, führt aber trotzdem dazu, dass sich die Paarnennung immer weiter verbreitet. Da kommt es schon einmal vor, oder auch öfter, dass man das Gender-Soll reichlich übererfüllt, indem man sexusfreie Nomen allein wegen ihres Genus gendert, und sogar Nomen gendert, nur weil sie im Plural stehen.

Ob aber rationale Argumente dem „guten Gefühl“, einer von „den Guten“ zu sein, Paroli bieten können, darf stark bezweifelt werden.

So kommt es, dass Movierungen, die bisher nur bei Nomen mit einem Sexus möglich waren, auch auf das Genus ausgedehnt werden („Insel B ist Nachfolgerin der Insel A“, „Straße X ist die Nachbarin der Straße Y“, „Die Stadt Freiburg ist Gendersiegerin“). Welch ein Aberwitz, über den sich jedoch anscheinend niemand wundert. Und weil das so ist, werden das „Genus-Gendern“ und das „Plural-Gendern“ wahrscheinlich weiter zunehmen.

Wenn man sieht, welche Folgen es hat, nicht scharf zwischen Genus und Sexus zu unterscheiden, kann man sich auch fragen, ob dahinter nicht vielleicht eine politische Strategie steckt. Anders formuliert: Wem könnte das Vermengen dieser beiden so unterschiedlichen „Geschlechter“ nützen? Und worin besteht sprachlich das Vermengen?

Ich fange mit der letzten Frage an. Die Vermischung der Begriffe beginnt natürlich mit der Wortwahl. Man muss nicht die Fachbegriffe „maskulin“, „feminin“, „neutrum“ der Linguisten verwenden, man kann die Genera auch als grammatisch(!) „männlich“, „weiblich“ „sächlich“ bezeichnen, solange man den Kategorie-Begriff „grammatisch“ nicht unterschlägt. Doch ich rate davon ab. Die Verwechslungsgefahr mit den Geschlechterbegriffen der biologischen Kategorie („männlich“, „weiblich“) ist einfach zu groß. Es sei denn, man profitiert von einer solchen Verwechslung, indem man z. B. davon spricht, dass „die Person“ „weiblich“ und „der Bürger“ „männlich“ sei. Und damit bin ich bei der Frage nach dem möglichen Nutzen dieser Vermischung.

Das unbekümmerte „Drauflos“-Gendern von sexusfreien Nomen, basierend auf der „gefühlten“ Gleichsetzung von Genus und Sexus, erweitert auf jeden Fall die Gendermöglichkeiten, die, wie gezeigt, auch dankbar genutzt werden. Gleichzeitig werden dadurch vermehrt maskuline Nomen semantisch mit biologischer Männlichkeit verknüpft. Das Maskuline wird mit dem Männlichen gleichgesetzt, nicht explizit, aber diese „gefühlte“ semantische Gleichsetzung wird von der Genderseite wohlwollend und freudig zugelassen. Diese Gleichsetzung erweitert aber nicht nur die Gendermöglichkeit, die daraus resultierenden Genderformen festigen unterbewusst auch die Gleichsetzung.

„Der Schüler“ oder „der Bürger“ wird auf diese Weise zunehmend als biologisch männlich verstanden, zumindest ist es das Ergebnis, wenn nicht das Ziel dieser Genus-Sexus-Gleichsetzung. Das Generische an diesen Formen „verflüchtigt“ sich noch weiter im Sprachgefühl der meisten Zeitgenossen und aus Sicht der Genderbefürworter soll das auch so sein. Das generische Maskulinum nimmt davon am meisten Schaden. Wem könnte wohl daran gelegen sein?

Es ist also bereits der allzu saloppe Gebrauch des Geschlechterbegriffs, der die Gleichsetzung von Genus und Sexus fördert und das „Gender-Soll“ zu einem „Übersoll“ werden lässt. Grammatisch korrekte oder falsche Movierungen – was soll’s, Hauptsache, die Leute gewöhnen sich daran. Mit den „Bürgerinnen“ werden die „Bürger“ zu Männern umdefiniert, ebenso die „Ärzte“. Die Paarnennung breitet sich so immer weiter aus, wird aber fatalerweise von vielen nicht als Gendern betrachtet. Das generische Maskulinum wird so zu Grabe getragen. Es ist das Weibliche, was im Vordergrund steht, nicht die korrekte Sprache, leider. Noch ist der maskuline Taschenrechner nicht männlich, der „Energieversorger“ von Frau Mast oder der „Gesetzgeber“ von Herrn Gniffke allerdings schon. Ein vermeintlicher Sexus wird aus dem Genus, sogar aus dem Plural hergeleitet und die „gefühlte Gleichheit“ von Genus und Sexus unterstützt im Nachhinein die These, das Genus sei aus dem Sexus entstanden, selbst dann, wenn, wie gezeigt, der Sexus aus dem Genus entstanden zu sein scheint.

Ist das nun Strategie, also Absicht, oder nur Schludrigkeit? Ich weiß es nicht genau. Aber ich weiß, dass nicht die Gegner der Gendersprache davon profitieren, sondern ihre Befürworter. Gefördert wird das auch durch den allzu sorglosen Gebrauch der Paarnennung. Gerade weil sie fälschlicherweise als „Nicht-Gendern“ verharmlost wird, trägt sie maßgeblich zur Gendersprachen-Gewöhnung bei.

Ich empfehle daher allen, denen die Ästhetik und die Klarheit der deutschen Sprache am Herzen liegen, nicht nur nicht leichtfertig mit der Gender-„Schludrigkeit“ umzugehen, sondern vor allem kritisch mit der Paarnennung selbst.

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