Wenn alle Bürger Männer sind
Veröffentlicht am 22. 3. 2022, aktualisiert am 24. 3. 2022.
Das kann doch gar nicht sein, es gibt doch auch die Frauen, denken Sie vielleicht. Hoffentlich denken Sie das, kann ich nur sagen. Dann existiert in Ihrem Kopf das Bild einer Bürgerschaft, die aus Männern und Frauen besteht und ggf. denen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen wollen.
Glauben Sie auch, dass Schüler, die in diesen Zeiten eine Schule, gleich welcher Art, besuchen genauso denken wie Sie? Ich habe da meine Zweifel.
Diese Schüler, weiblich oder männlich, werden im Schulalltag permanent mit „Schülerinnen und Schülern“ angesprochen. Es liegt auf der Hand, dass diese Schülergruppe zwar unter „Schülerinnen“, wie allgemein üblich, weibliche Schüler versteht, jedoch unter „Schüler“ nur noch die männlichen. Entsprechendes gilt für „Lehrerinnen und Lehrer“ und so weiter, auch für „Bürgerinnen und Bürger“ oder „Einwohnerinnen und Einwohner“. Konsequenz der Abschaffung des generischen Maskulinums.
Je häufiger diese Doppel-, Beid-, Paar- oder Einzelnennungen im Sprachgebrauch ihren Niederschlag finden, desto auffälliger und missverständlicher wird es, diese NICHT zu verwenden: Spricht man von Soldaten, läuft man Gefahr, die Soldatinnen zu diskriminieren, beschreibt man das Leid der Ukrainer, vergisst man das der Ukrainerinnen. Jeder, in diesem Fall eher jede, kann aus der Nichtnennung der weiblichen Form eine Diskriminierung herauslesen. Für den, der dem Gender-Narrativ: „Nichtnennung einer Gruppe = deren Diskriminierung“ auf den Leim gegangen ist, ist die Doppel-, Beid- oder Einzelnennung obligatorisch, denn hinter jeder Nichtnennung könnten andere eine Diskriminierung vermuten.
Da sich diesem Vorwurf niemand aussetzen möchte, wird die Doppelnennung immer mehr als verpflichtend empfunden werden, bis sie sich im Sprachgebrauch unauslöschbar eingebrannt hat. Der Gebrauch der Doppelnennung wirkt also sich selbst verstärkend. Statt dieses Gender-Narrativ anzuzweifeln, hat man sich in die Diskriminierungsfalle locken lassen. In Stellenausschreibungen (m, w, d) sitzt man schon länger darin. Wird auch die Doppelnennung bald in allen offiziellen Texten gesetzlich vorgeschrieben?
Der Bedeutungswandel von „Bürger“ (alle meinend, generisches Maskulinum) zu „Bürger“ (nur Männer meinend) vollzieht sich von den meisten unbemerkt, aber, da selbstverstärkend, unumkehrbar.
Wenn diese Doppelnennungen sich unbewusst als Standard-Ausdrücke etabliert haben, dann hat das generische Maskulinum oder jede andere generische Form (als Funktion eines Sammelbegriffs) ausgedient.
Dann ist davon auszugehen, dass unter einem Lehrerzimmer der Aufenthaltsraum für männliche Lehrer verstanden wird, und konsequenterweise auch ein Lehrerinnenzimmer her muss. Praktischerweise bleibt bei den Räumlichkeiten alles beim Alten, nur das „Lehrer“zimmer heißt nun „Lehrer*innen“zimmer oder „Lehrenden“zimmer. Alles nur eine Frage der Zeit. Das „Studierenden“werk gibt es schon länger.
Wenn es aber in nicht allzu ferner Zukunft nur noch Zuschauerinnen und Zuschauer, Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser und so weiter gibt, dann wäre es nur folgerichtig, da ansonsten missverständlich, die Gendersprache auch auf das Tierreich auszudehnen, zumindest bei denen, deren Geschlecht anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale eindeutig identifizierbar ist: „Hündinnen und Hunde“, „Löwinnen und Löwen“, „Äffinnen und Affen“ usw.
Auch wenn wir in einer Zeit leben, in der es wirklich Wichtigeres gibt, meine eindringliche Bitte an alle Deutschlehrer, Schulleiter, Politiker und Liebhaber unserer Sprache: Auch wenn Sie es in guter Absicht tun, vermeiden Sie die Beid-, Doppel-, Paar- oder Einzelnennung, sie hat die Wirkung eines Trojanischen Pferdes.
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