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Gendern und Gesellschaft

Wenn alle Bürger Männer sind

Veröffentlicht am 22. 3. 2022, aktualisiert am 6. 2. 2024.

Alle Bürger Männer? – Das kann doch gar nicht sein, es gibt doch auch die Frauen, denken Sie vielleicht. Schön, wenn Sie so denken. Dann sind „Bürger“ für Sie Männer und Frauen, dann verstehen Sie „Bürger“ noch als generisches Maskulinum.

Glauben Sie auch, dass Schüler heute genauso denken wie Sie? Ich habe da meine Zweifel. Diese Schüler werden im Schulalltag permanent mit „Schülerinnen und Schüler“ angesprochen. Es liegt auf der Hand, dass diese Schülergruppe zwar unter „Schülerinnen“, wie allgemein üblich, weibliche Schüler versteht, jedoch unter „Schüler“ nur noch die männlichen. Entsprechendes gilt für „Lehrerinnen und Lehrer“ und so weiter, auch für „Bürgerinnen und Bürger“ oder „Einwohnerinnen und Einwohner“. Konsequenz der Vermeidung des generischen Maskulinums und zunehmender Verwendung der Paar- (Doppel-, Beid- oder Einzel-)nennung.

Auch Politiker verwenden gern die Beidnennung. Diejenigen, die aus Überzeugung gendern sowieso (neben des Gebrauchs anderer Genderformen), aber auch viele, die von sich behaupten, sie seien gegen die Gendersprache. Ich nenne hier nur den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, den Berliner Oberbürgermeister Kai Wegner oder den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein, der nach seiner gewonnenen Landtagswahl das bisherige Bündnis mit den Grünen aufkündigte und mit der SPD zusammen plant, die Gendersprache, sofern sie Sonderzeichen betrifft, in hessischen Schulen, Hochschulen, Behörden und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbieten zu lassen. Selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, auch kein Genderfreund, lässt sich auf die Beidnennung ein.

Ganz offensichtlich empfinden die Genannten die Beidnennung nicht als Gendern und sind damit nicht allein. Laut einer Umfrage vom September 2022 hat in der Bevölkerung unter den Genderformen die Paar- oder Beidnennung mit 69 % die höchste Akzeptanz, wird also am wenigsten als Gendern betrachtet.

Auch wenn die Beidnennung formal gültigen Grammatikregeln entspricht, ist sie eine Genderform. Dass sehen viele anders, was wohl daran liegt, dass ihnen der Zusammenhang zwischen „Genus“, „Sexus“ und dem „generischen Maskulinum“ nicht bekannt oder bewusst ist. Eine Erläuterung dieser Beziehung finden Sie unter diesem internen Link.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Etablierung der Gendersprache in all ihren Formen wurde und wird von der Genderlinguistik mit der Ablehnung des generischen Maskulinums begründet, das angeblich nur Männer „meint“ und für das nun Ersatzformen gefunden werden mussten. Eine dieser Ersatzform ist die Beidnennung („Schülerinnen und Schüler“). Man kann diese Form auch als die Grundform der Gendersprache ansehen. Weil aber die permanente Nennung der femininen und der maskulinen Form schnell ermüdend wirkt und dabei ohne zusätzlichen Informationsgewinn den Text aufbläht, traten an ihre Stelle Kurzformen wie „Schüler*innen“, „Schüler:innen“, „Schüler_innen“ und weitere, die zu Recht nicht nur von der Mehrheit der Gesellschaft, sondern auch vom Rat für deutsche Rechtschreibung abgelehnt werden. Letztlich sind alle Formen, die eine Vermeidung des generischen Maskulinums zum Ziel haben, Varianten der Gendersprache. Auf eine einfache Formel gebracht ist Gendern die bewusste Vermeidung des generischen Maskulinums. Das gilt übrigens auch für Neutralformen wie „Lehrkraft“ (für Lehrer), „Publikum“ (für Zuschauer/Zuhörer) oder Umformulierungen, z. B. „wer einen Antrag gestellt hat“ (für Antragsteller) etc.

Die Beidnennung aber ist nicht nur eine, wenn auch formal grammatisch zulässige Genderform, sie hat auch einige z. T. unerwartete Effekte.

Der „Bürger“ ist männlich, Konsequenz der Beidnennung, wie bereits genannt.

Wenn aber der „Bürger“ angeblich nur männlich ist, gebietet es die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter und der Respekt, die weiblichen Personen auch zu nennen („ … und Bürgerinnen“), alles andere wäre sprachliche Diskriminierung.

Um sich aber einem möglichen Diskriminierungsvorwurf gar nicht erst auszusetzen, und auch um Zweideutigkeiten zu vermeiden (Meint er jetzt die Männer oder Frauen und Männer?), werden viele die Beidnennung aus politisch korrekter „Vorsicht“ verwenden. Damit wird die Beidnennung zum Trojanischen Pferd: Wenn fast alle unter „Bürger“ immer weniger beide Geschlechter verstehen, wird die Beidnennung allmählich als verpflichtend empfunden. Sie wirkt damit selbstverstärkend und, von den meisten unbemerkt, durch den Bedeutungswandel von „Bürger“ (alle „meinend“, generisches Maskulinum) zu „Bürger“ (nur Männer „meinend“), potentiell unumkehrbar. Statt dieses Gender-Narrativ anzuzweifeln, hat man sich in die Diskriminierungsfalle locken lassen. In Stellenausschreibungen (m, w, d) sitzt man schon länger darin. Ganz allmählich, vielfach nur als Floskel, brennt sich die Paarnennung immer mehr in den allgemeinen Sprachgebrauch ein. Wird so die Beidnennung bald in allen offiziellen Texten gesetzlich vorgeschrieben sein?

Es ist also keineswegs auszuschließen, dass unter einem Lehrerzimmer der Aufenthaltsraum für männliche Lehrer verstanden wird, und konsequenterweise der Raum in „Lehrerinnen- und Lehrerzimmer“ umbenannt werden wird, ggf. auch in „Lehrer*innen“zimmer oder „Lehrenden“zimmer. Alles nur eine Frage der Zeit. Das „Studierenden“werk gibt es schon länger.

Und selbstverständlich lässt sich Gendergerechtigkeit auch auf das Tierreich übertragen: „Löwinnen und Löwen“, „Äffinnen und Affen“, … wer weiß.

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