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Auch das noch

Weil wir fangen falsch an

Veröffentlicht am 27. 1. 2025.

Sollten Sie beim Lesen der Überschrift nicht kurz stutzig geworden sein, könnten Sie in der Schule nicht aufgepasst haben. Zu Ihrer Entlastung ist zu sagen, dass Sie damit nicht allein wären, denn die Zahl derer, die an dieser Überschrift sprachlich nichts auszusetzen haben, dürfte täglich größer werden.

Politiker tun es, Journalisten tun es, Akademiker tun es und Nicht-Akademiker ohne Frage auch: Sie verwenden ein „Weil“, wo eigentlich ein „Denn“ hingehört.

Die Konjunktion „weil“ leitet einen Nebensatz ein, haben wir im Deutschunterricht gelernt – oder auch nicht. Auch wurde uns vermittelt, dass der Satzbau eines Nebensatzes sich von dem eines Hauptsatzes unterscheidet: Das Prädikat, also das finite Verb, das u. a. die Person, die Zeitform und die Anzahl anzeigt, steht im Hauptsatz an zweiter Stelle (Subjekt, Prädikat, Objekt, ggf. Objekt, Prädikat, Subjekt), im Nebensatz dagegen an letzter Stelle (Subjekt, Objekt, Prädikat). „Ich bin gestolpert (Hauptsatz), weil es dunkel war (Nebensatz)“, ggf. „Gestolpert bin ich, weil es dunkel war“. Die Konjunktion selbst steht an „nullter Stelle“.

Seit einigen Jahren, und in jüngerer Vergangenheit fast ausnahmslos, hören sich solche Kausalbeziehungen so an: „Ich bin gestolpert, weil es war dunkel“. Das Prädikat des zweiten Satzteils steht wie in einem Hauptsatz an zweiter Stelle.

Das wäre korrekt, würde dieser Satzteil mit „denn“ eingeleitet werden – „denn es war dunkel“. Will man hingegen mit „weil“ einleiten, muss laut (noch) gültiger Grammatik ein Nebensatz folgen, in dem das Prädikat an letzter Stelle steht.

Selbst der Duden, der die zunehmende Verbannung des generischen Maskulinums in seiner Online-Ausgabe mit Sprachwandel begründet, hält trotz zunehmend falschen Denn/weil-Gebrauchs weiter an dieser Regel fest, ohne sich in diesem Punkt auf den Sprachwandel zu berufen.

Stattdessen hört man u. a. von Journalisten, die es eigentlich besser wissen sollten, Sätze wie diesen: „‚Antworten anbietet‘ [Aussage ihres Gesprächspartners, eigene Anm.] ist fast ein bisschen lustig, weil, ehrlich gesagt, wollen Sie auch keine Debatte führen, weil Sie stellen Forderungen auf, über die gar nicht gesprochen werden soll, weil es gibt gar keine Kompromisse“, gesprochen von ARD-Moderatorin Caren Miosga im Gespräch mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Anstelle von „weil“ hätte hier „denn“ stehen müssen, und das gleich drei Mal.

Ähnlich wie dem „Weil“ ergeht es im Übrigen dem „Obwohl“. Auch diese Konjunktion gehört wie „weil“ zu den unterordnenden Konjunktionen, auf die ein Nebensatz folgt, im Gegensatz zu den nebenordnenden Konjunktionen, auf die ein Hauptsatz folgt und zu denen neben „denn“ auch „und“, „aber“, „doch“ oder „oder“ gehören. Immer wieder, aber nicht so häufig wie beim „falschen Weil“, hört man Sätze wie diesen: „Ich muss noch einkaufen, obwohl ich hab eigentlich keine Zeit.“ Meist folgt dabei auf das „obwohl“ eine deutliche Sprechpause.

Nun wissen wir, dass Sprachen sich wandeln. Das war schon immer so und daran ist nichts beklagenswert, zumal es sich hier, anders als bei der Gendersprache, um einen natürlichen, aus sich selbst heraus entstehenden und auf Freiwilligkeit basierenden Sprachwandel handelt. Im Zuge dieses Wandels ist „denn“ aus der Mode gekommen und „weil“ hat seinen Platz eingenommen, unüberhörbar im gesprochenen Wort, weniger sichtbar in der Schriftsprache. Aber so beginnt natürlicher Sprachwandel immer.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber meinen Ohren oder Augen tut das „falsche Weil“, so wie in der Überschrift formuliert, weh, Sprachwandel hin oder her. Wer meinen „Schmerz“ nicht nachempfinden kann, der möge sich bitte statt der falschen „Weil-plus-Hauptsatz“-Kombination die reziproke, aber ebenso falsche „Denn-plus-Nebensatz“-Kombination anhören oder sie lesen: „Ich bin gestolpert, denn es dunkel war“. Für mich ist das schwer zu ertragen.

Doch warum wird „weil“ als Einleitung einer Kausalbeziehung so viel häufiger verwendet als „denn“? Der Psycholinguistiker Gerard Kempen und seine Kollegin Karin Harbusch fanden dazu Folgendes heraus: Die hohe Nutzungshäufigkeit von „weil“ führt dazu, dass „weil“ im ‚mentalen Vokabular‘ schneller verfügbar ist und deshalb das konkurrierende „Denn“ unterdrückt wird.

Als weiteren Grund nennen die Autoren die ungenügende Planungszeit bzw. -kapazität des Sprechers, die ihn daran hindert, den begründungsliefernden Satzteil grammatisch korrekt zu formulieren. Die beiden Autoren verweisen darauf, dass bereits Heinrich von Kleist vor 200 Jahren in seinem Aufsatz „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ schrieb, dass die Sprecher in der Regel am Anfang des Satzes noch nicht wissen, wie derselbe endet.

Das dürfte umso häufiger der Fall sein, je länger und inhaltsreicher der Satzteil ist, der dem Hauptsatz folgt, was daran liegen könnte, dass wir kurze Sätze leichter überschauen und als Ganzes erfassen können als längere. Für solche Kurzsätze bringt nahezu jeder die erforderliche Planungszeit und -kapazität auf. Kaum jemand würde sagen „Ich behaupte, dass das ist falsch“, sondern korrekterweise „Ich behaupte, dass das falsch ist“. Die meisten von uns kennen also die Regel der Satzstellung eines Nebensatzes, sie ist ihnen vertraut und intuitiv evident.

Solange die falsche Verwendung von „weil“ nur auf ungenügende Satzplanung zurückzuführen ist, also eine Nachlässigkeit oder einen Flüchtigkeitsfehler darstellt, könnte man diesen Fauxpas durchgehen lassen. Schließlich würden die Sprecher des „falschen Weil“ mehrheitlich beim Schreiben nach wie vor das „korrekte Denn“ verwenden oder die Satzstellung anpassen. Bedenklich wird es, wenn auch in der Schriftform das „falsche Weil“ nicht mehr als Fehler angesehen wird. Dazu könnte es allerdings kommen, wenn die ‚mentale Verfügbarkeit‘ des „Denn“ weiter abnimmt. In vielen Internetforen scheint das „falsche Weil“ schon jetzt Standard zu sein.

Längere Nebensätze erfordern mehr Aufmerksamkeit. Der Informationsgehalt ist höher und das Prädikat, das die verschiedenen Informationen zueinander in die richtige Beziehung setzt, kommt erst ganz am Schluss des Satzes. „Er verpasste seinen Flug, weil er sich wegen einer Panne um über zwei Stunden verspätete.“ Dagegen als Hauptsatz formuliert, würden wir dessen Grundaussage bereits am Anfang des Satzteils erfahren: „… denn er verspätete sich wegen einer Panne um über zwei Stunden.“

Ein Hauptsatz scheint uns daher leichter über die Lippen zu gehen als ein Nebensatz, besonders dann, wenn Letzterer lang ist. Im Hauptsatz treffen wir bereits früh die uns wichtig erscheinende Aussage über das handelnde Subjekt und die Art der Handlung. Der Rest, das Objekt, scheint uns weniger wichtig zu sein.

Offenbar haben wir beim Sprechen von Kausalsätzen zwei Vorlieben, die grammatisch nicht zueinander passen: einerseits die Vorliebe für Hauptsätze, besonders wenn diese lang sind, und andererseits die Präferenz für die Konjunktion „weil“ aufgrund ihrer besseren ‚mentalen Verfügbarkeit‘ gegenüber dem „Denn“.

Vielleicht wird uns der Sprachwandel irgendwann die Kombination beider Vorlieben grammatisch ermöglichen. Ich selbst werde aber auch dann noch „weil“ nur im Nebensatz-Kontext verwenden, solange mir nicht gelegentlich doch ein „Flüchtigkeitsfehler“ unterläuft.

Bis dahin bleibt allen, denen korrektes Deutsch am Herzen liegt, nichts anderes übrig, als sich eine der Vorlieben abzugewöhnen oder besser, sie sich nicht anzugewöhnen. Die einleitende Konjunktion zu wechseln, dürfte ungleich einfacher sein, als Satzteile umzubauen. Der intellektuelle Aufwand ist gering. Man muss sich nur daran erinnern, dass wir im Deutschen neben dem „Weil“ auch das in Vergessenheit geratene Wörtchen „denn“ haben und dass Kausalbeziehungen nicht nur mit „weil“, sondern auch mit „denn“ eingeleitet werden können. Dann passen die Konjunktionen wieder zu ihren Kausalsätzen, denn wir fangen sie richtig an.

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