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Gendern und Gesellschaft

Wann verschwindet der Arzt aus dem Duden?

Veröffentlicht am 20. 10. 2024, aktualisiert am 10. 1. 2025.

Wie bitte? Das deutsche Wort „Arzt“ soll nicht mehr im Duden stehen?

Langsam. Niemand will dieses Wort aus dem Duden entfernen. Sie können also gelassen bleiben.

Es geht auch nicht um den Arzt als Berufsbezeichnung, sondern um den speziellen „Arzt“ des Dudens. So, fragen Sie vielleicht, was ist denn das Besondere am Duden-Arzt?

Das ist schnell erklärt: Der Dudensche „Arzt“ ist männlich, biologisch männlich, ausschließlich männlich. Wenn Sie als Frau Medizin studiert und alle Ihre Prüfungen bestanden haben, sind Sie noch lange kein Arzt, Sie werden auch nie einer sein. Sie sind eine Ärztin, laut Duden. Da spielt es auch keine Rolle, ob Sie sich lieber „Mediziner“ nennen möchten. Auch das sind Sie im Duden nicht. Sie müssen sich schon mit „Ärztin“ oder „Medizinerin“ begnügen.

Außerhalb der Duden-Ideologie dürfen Sie sich wieder ganz frei fühlen, als Ärztin oder als Arzt.

Manche werden jetzt vielleicht fragen: Wo ist das Problem? Dann nenne ich den männlichen Arzt eben „Arzt“ und den weiblichen „Ärztin“. Stört doch keinen.

Wenn es niemanden stört, dann ist es noch schlimmer. Dann ist ins allgemeine Sprachbewusstsein eingesickert, dass eine maskuline Personenbezeichnung („Bürger“ oder „Bäcker“) für männliche Personen steht. Dann hat ein entscheidender Bedeutungswandel stattgefunden. Je weniger sich daran stören, desto weiter fortgeschritten ist dieser Wandel. Dann würde die These vieler Genderlinguisten im Nachhinein Unterstützung finden, dass das Genus vom Sexus abgeleitet sei.

Der Duden befördert diesen Wandel, nicht nur mit Wörtern, auch mit Bildern, ganz subtil. Dem Duden-Arzt ist nämlich in der online-Ausgabe auch ein Bild zur Seite gestellt worden, das eines freundlich dreinschauenden männlichen Arztes. Der Duden weiß sehr wohl, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt und vor allem, dass Bilder tief im Bewusstsein haften bleiben. Auch der „Facharzt“ hat ein Bild bekommen, damit am Geschlecht der Person auch ja kein Zweifel besteht. Ärztin und Fachärztin müssen ohne Bild auskommen. Ihr biologisches Geschlecht ist ja durch die Movierung („-in(nen)“) auch so schon eindeutig beschrieben. So befördert die Duden-Redaktion diesen Bedeutungswandel, und den meisten fällt es nicht einmal auf.

Natürlich bestreitet der Duden die beabsichtigte Bedeutungsverschiebung. Er bilde nur den gesellschaftlichen Sprachwandel ab, heißt es. Doch warum dann das Bild des männlichen Arztes? Das Bild einer Ärztin, also eines weiblichen Arztes, oder eines gemischtgeschlechtlichen Ärztepaares neben der Begriffserklärung von „Arzt“, das wäre eine Aussage. So aber vermittelt der Duden das Gegenteil und das nicht ohne Absicht.

Die Konsequenzen dieses Bedeutungswandels sind keine Kleinigkeiten. Wenn „Fußgänger“, „Radfahrer“, „Einwohner“ oder „Mieter“ nur noch Männer sind, dann, und nur dann, besteht die Notwendigkeit, auch die Frauen zu benennen („Fußgängerin(nen)“, „Radfahrerin(nen)“, „Einwohnerin(nen)“, „Mieterin(nen)“). Aber dann fehlt uns plötzlich ein Ausdruck oder Oberbegriff für beide Geschlechter. Wie unpraktisch ist das denn?

Auch besteht dann unsere Gesellschaft weniger aus Menschen, sondern vielmehr aus Frauen und Männern. Das trennende Spezielle gewinnt zulasten des verbindenden Gemeinsamen. Vorwärts im Kampf der Geschlechter. Zu den bestehenden Herausforderungen unserer Gesellschaft kommt diese noch hinzu.

Auf dem Weg des Bedeutungswandels sind wir leider schon länger, ja wir laufen immer tiefer in den undurchsichtigen Gender-Wald. Dumm nur, dass man oft zu spät merkt, dass man sich verlaufen hat. Zwar haben sich viele öffentliche Personen, darunter fast alle namhaften Politiker, mittlerweile gegen das Gendern ausgesprochen, und einige Bundesländer haben für Ihre Verwaltungen sogar entsprechende Gesetze verabschiedet. Haben diese Personen deshalb selbst mit dem Gendern aufgehört?

Nein, sie gendern fröhlich weiter, merken es aber nicht, mehr noch, sie streiten ihr Gendern sogar vehement ab. Es herrscht nämlich nicht nur in diesem Personenkreis, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit die Ansicht vor, die separate Benennung beider Geschlechter („Wählerinnen und Wähler“), die Paarnennung, sei überhaupt kein Gendern. Selbst Sahra Wagenknecht, die sich dezidiert gegen das Gendern ausgesprochen hat, gendert (Minute 07:05) auf diese Weise.

Aber genau das ist der Holzweg, auf dem sie sich befinden. Was glauben denn die Angesprochenen, warum man die Paarnennung zulasten des alle einschließenden generischen Maskulinums („Wähler“) verwendet? „Damit auch die Frauen angesprochen werden“, lautet meist die Antwort. Wieso auch, frage ich. Werden denn mit der maskulinen Form nur Männer angesprochen?

Das genau ist ja das Narrativ, das die „Genderlinguistik“ leider erfolgreich uns Deutschen in großen Teilen eingeimpft hat: Maskuline Form „meint“ Männer. Wenn dies dann noch ein Astrophysiker wie Harald Lesch im ZDF vertritt, ja dann muss es doch stimmen.

Zur Stützung dieser These werden die entsprechenden Studien zitiert. Viele, die sich auf diese Studien berufen, dürften aber nicht eine davon gelesen haben. Schaut man sich diese Studien genauer an, erkennt man schnell ihren zweifelhaften Wert.

Das Gegenteil ist der Fall: Wenn der Satzkontext die Allgemeingültigkeit einer Aussage betont, spricht die maskuline Form selbstverständlich keine Frauen an, sie spricht aber auch keine Männer an. Sie spricht überhaupt keine Geschlechter an, sie ist dem Geschlecht gegenüber blind. Dadurch integriert sie alle, und das ist ja gerade der Vorteil dieser generischen Form. Sie betont das Gemeinsame, das Verbindende, immer dann, wenn das Geschlecht keine Rolle spielt („Die Wähler haben gewählt“).

Es ist sogar so, dass mindestens 95 % aller Deutsch Sprechenden das generische Maskulinum bewusst benutzen. Selbst die, die es im Grunde ablehnen, tun es, zumindest beim Sprechen. Man muss ihnen nur aufmerksam zuhören. Die wenigsten, die die Paarnennung verwenden, tun das nämlich mit letzter Konsequenz. Wenn oft im ersten Satz von „Bürgerinnen und Bürgern“ gesprochen wird, im zweiten Satz aber für denselben Personenkreis „Bürger“ verwendet wird, lässt sich das doch nur damit rechtfertigen, dass die im zweiten Satz genannten „Bürger“ (generisches Maskulinum) auch für Frauen und Männer stehen, es sei denn, es wären tatsächlich damit nur die Männer gemeint und die Frauen würden nicht einmal „mitgedacht“. Das wäre sogar den Genderbefürwortern nicht zuzutrauen. Wenn aber selbst die Gendernden das verhasste generische Maskulinum bewusst generisch einsetzen, dann wird doch dieser maskulinen Form ihre integrative Rolle uneingeschränkt zugestanden, sonst dürfte man sie so nicht verwenden. Punkt.

Wenn das aber so ist, stellt sich die berechtigte Frage, warum das generische Maskulinum nicht durchgängig verwendet wird. Das ergibt doch sonst alles keinen Sinn. Die inkonsequente Verwendung der Paarnennung ist doch geradezu der Beweis dafür, dass diese maskuline Form hundertprozentig generisch eingesetzt und auch so verstanden wird.

Unser Sprachgefühl sagt uns nämlich sehr wohl, wann wir die maskuline Form generisch verwenden können und lässt uns auch sicher sein, dass diese Form von unserem Gegenüber genau so verstanden wird. Zumindest war dies noch in den Anfängen der Gender-Zeit so. Besonders die Paarnennung mit der damit verbundenen Bedeutungsverschiebung der maskulinen Form könnte aber genau dazu beitragen, dass dieses Verständnis verloren geht, dass also der Empfänger der Botschaft die generische Form als für biologisch männlich stehend versteht.

Am generischen Maskulinum also scheiden sich die Geister. Damit lässt sich auch die Frage beantworten, ob die Paarnennung nun Gendern ist, oder nicht. Um es auf einen einfachen Nenner zu bringen: Die bewusste Vermeidung des generischen Maskulinums, das ist der Kern der Genderei. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob es dabei um die Verwendung der offiziell nicht mehr akzeptierten Sonderzeichen innerhalb von Wörtern geht, den grammatisch falschen Gebrauch von Partizipialformen oder eben die Paarnennung. Die Unterschiede sind nur graduell.

Den meisten, die die Paarnennung verwenden, ist die Absurdität ihrer Sprechweise wahrscheinlich nicht bewusst. Das liegt vermutlich am Gebrauch der movierten Form („-in(nen)“). Sie wird aber deutlich, indem man sich den Satz statt mit der movierten Form mit dem generischen Maskulinum (unter Verwendung von „weiblich“ und „männlich“) vorstellt: Anstelle von „Kritikerinnen und Kritiker“ jetzt „weibliche und männliche Kritiker“, statt „Bahnbenutzerinnen und Bahnbenutzer“ „weibliche und männliche Bahnbenutzer“, statt „Demokratinnen und „Demokraten“ „weibliche und männliche „Demokraten“, statt „Außenministerinnen und Außenminister“ „weibliche und männliche Außenminister“ etc. Diese und andere movierte Formen findet man täglich hundertfach, besonders im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Oder: Die Polizei sucht weibliche oder männliche Zeugen“, „Weibliche und männliche Fahrradfahrer absteigen“. Das ist nicht nur unnötig textaufblähend ohne zusätzlichen Informationsgewinn, also trivial, vor allem ist es hochgradig albern. Und diese Albernheit wird nicht kleiner, sondern eher größer, wenn sie mit unerschütterlicher Überzeugung vorgetragen wird.

Das wirklich Tückische aber an dieser Genderform ist, dass der genannte Bedeutungswandel sich im Sinn einer positiven Rückkopplung selbst verstärkt: Die Paarnennung verursacht den Bedeutungswandel, und, um Missverständnisse zu vermeiden, erfordert dieser die weitere Paarnennung. Will man z.B. in Rechtstexten Missdeutungen vermeiden, muss die Paarnennung angewendet werden. Im Strafrecht gilt zwar noch das generische Maskulinum („Mörder ist, …“, StGB §211(2)), sonst könnten mordende Frauen nicht belangt werden. Wird irgendwann auch hier das generische Maskulinum ersetzt werden müssen? Wenn wir nicht aufpassen, werden wir die Paarnennung nicht mehr los.

So aber wird fleißig weitergegendert, ohne sich dessen bewusst zu sein. Genderbefürworter frohlocken insgeheim. Sie müssen nur abwarten, bis der Bewusstseinswandel weit genug fortgeschritten ist, denn dann wird der Weg zurück immer schwieriger. Sie wissen, dass die meisten die Paarnennung nicht als Gendern empfinden, und das spielt ihnen in die Hände. Aus persönlichen Gesprächen mit Lehrern weiß ich, dass inzwischen die meisten von ihnen unter „Schüler“ nur männliche Schüler verstehen und daher die movierte Form („Schülerinnen“) im Satz nachschieben, wenn alle Schüler gemeint sind. Irgendwann wird man auch unter „Mieter“ nur noch Männer verstehen, die Schulen („Lehrerinnen und Lehrer“), die Medien („Hörerinnen und Hörer“), der Duden (u. a. der „Arzt“), der Gender-Pflichthinweis des Herrn Lauterbach („[…] fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt […]“) sowie die „nicht gendernden“ Politiker, wie Herr Söder, Herr Merz oder Herr Wegner („Wählerinnen und Wähler“), tragen fleißig dazu bei.

Interessant ist auch die Reihenfolge der männlichen und weiblichen Form in der Paarnennung. Ist es nur Höflichkeit, dass die „Bürgerinnen“ meist vor den „Bürgern“ genannt werden oder hat es noch einen anderen Grund? Wäre es umgekehrt, könnte man nach „Bürger“ eventuell „vergessen“, auch die weibliche Form zu nennen. Dann wäre „Bürger“ als generisches Maskulinum zu verstehen. Das darf aber nun wirklich nicht sein, diese Option ist nicht erwünscht. Nach „Bürgerinnen“ hat man diese Möglichkeit nicht mehr, die Gender-Welt ist wieder in Ordnung.

Ein in diesem Zusammenhang wichtiger Aspekt ist bisher noch nicht genannt worden: die Sprachökonomie. Sie versucht, den Aufwand für den Sender einer Botschaft möglichst gering zu halten, ohne dass der Informationsgehalt der Botschaft bei dem Empfänger darunter leidet. Das generische Maskulinum ist eine höchst effektive Form dieser Sprachökonomie. Sie aufzugeben, ist einfach nur dumm.

Es könnte also sein, dass das Prinzip der Sprachökonomie dem Paarnennungsgebrauch Grenzen setzt und dem generischen Maskulinum wieder die Anerkennung schafft, die ihm gebührt. Das wäre die gute Nachricht.

Es könnte aber auch sein, dass die Sprachökonomie aus den „Bürgerinnen und Bürgern“ wieder „Bürger*:_innen“ o. Ä. macht. Dann wäre die Paarnennung das Trojanische Pferd der Gendersprache, und das wäre eine sehr schlechte Nachricht.

Der Duden-Arzt, aber nicht nur der, sollte daher schnell wieder verschwinden. Ob er das tut, hängt davon ab, ob wir ihn im Sinne des Dudens oder des generischen Maskulinums verwenden. Ich hoffe auf Letzteres. Dann wird sich zeigen, ob der Duden den Sprachwandel „nur abbildet“.

 

Erfreulicher Nachtrag:

In einer Nachrichtensendung des ZDF wurde ein Hausarztzentrum gezeigt, das unter der Leitung von Dr. Rita Bangert-Semb (u. a.) an verschiedenen Standorten im Raum Wiesloch betrieben wird. Auffällig an dem Bericht war, dass Frau Bangert-Semb ein Kleidungsstück mit der Aufschrift: „Hausarzt“ trug, was allerdings vom ZDF mit der Einblendung „Hausärztin“ versehen wurde (Minute 15:50).

Auf einer Internetseite des besagten Hausarztzentrums war im Gegensatz zum Duden das generische Maskulinum noch deutlich sichtbar: Hier erschienen „Ärzte/Hausärzte“ (gener. Maskul.: 5x), „ihres Arztes oder ihrer Ärztin“ (Paarnennung: 1x), „Patienten“ (gener. Maskul.: 12x). Insgesamt finden sich dort neben einer Paarnennung 25 generische Maskulina und ansonsten keine weiteren gegenderten Ausdrücke. Diese Praxis hat Zukunft!

Wegen der Wahlempfehlung des „X“-Besitzers Elon Musk für die AfD wird die „Teilen“-Option für dieses Medium nicht mehr angeboten.

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