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Gender-bedingte Missverständnisse

Veröffentlicht am 12. 12. 2021, aktualisiert am 16. 2. 2022.

Im deutschen Sprachraum existieren zur Zeit unterschiedliche Versionen der deutschen Sprache, wobei ich nicht von regionalen Dialekten spreche. Zentrales Unterscheidungsmerkmal ist dabei die Verwendung oder Nicht-Verwendung des generischen Maskulinums, gegebenenfalls auch der Gebrauch des generischen Femininums und der Partizipialformen.

Das von der überwiegenden Mehrheit, zumindest in Deutschland, verwendete generische Maskulinum wird und wurde von seinen Befürwortern, wie in den Jahrhunderten zuvor, problemlos und ohne Missverständnisse verstanden.

In jüngerer Zeit sind jedoch durch den Willen einer Minderheit neue, zuvor unbekannte, bzw. ungebräuchliche Elemente als seine Konkurrenten hinzugekommen, die Beidnennungspraxis, das generische Femininum und falsch verwendete Partizipialformen.

Neben Deutsch existiert in Sprachgender-Kreisen also auch „Gender-Deutsch“, wie ich es der Einfachheit halber nennen möchte. Obwohl letzteres sich im offiziell anerkannten Regelwerk der deutschen Sprache nicht wiederfindet, wird von seinen Befürwortern aus hauptsächlich ideologischen Gründen hartnäckig daran festgehalten, doch dies sei in dem hier genannten Zusammenhang nur am Rande erwähnt.

Welche Missverständnisse bei gleichzeitiger Anwendung von generischem Maskulinum, generischem Femininum, Beidnennung und falsch verwendeten Partizipialformen auftreten, möchte ich an einigen Beispielen zeigen. Die weitaus meisten treten beim Hören auf, das geschriebene Wort ist da etwas eindeutiger, aber bei weitem nicht frei davon. Einige sind auf diesen Seiten bereits erwähnt worden, ich möchte sie hier jedoch systematisch zusammenfassen. Die Formen, die auf Sonderzeichen (*, :, _ und andere) oder ‚Glottisschlag‘ zurückgreifen müssen, führen im Übrigen nicht zu Missverständnissen, sie sind aber aus anderen Gründen abzulehnen.

 

Missverständnisse durch das generische Femininum

a) Durch seine bewusste Anwendung

Was das generische Femininum ist, habe ich am Beispiel der Universität Leipzig gezeigt. Mit diesem an dortiger Stelle genannten Beispiel:
„30% der Studentinnen haben das Examen nicht bestanden“. Hierbei wird deutlich, dass innerhalb der Universität die Botschaft völlig anders verstanden wird als außerhalb.

Innerhalb: „30% aller Studenten (männlich, weiblich, divers) haben das Examen nicht bestanden“,
außerhalb: „30% der studierenden Frauen haben das Examen nicht bestanden“.
Außerhalb der Universität ist ein erklärender Hinweis auf das verwendete generische Femininum zwingend erforderlich.

b) Durch Unterschlagung der Sprechpause (Glottisschlag) beim Sprechen

Oft hört man die feminine Form dort, wo sie gar nicht gemeint wurde. Aus „viele Schüler[‚Glottisschlag‘]innen blieben … zuhause“ (keine Aussage zum Geschlecht, Schüler aller Geschlechter sind möglich) wird bei unsauberer Aussprache „viele Schülerinnen blieben … zuhause“ (Aussage zum Geschlecht, nur weibliche Schüler sind möglich. Es könnte sich in diesem Fall auch um des generische Femininum handeln, was der Hörer aber nicht wissen kann).
Klar zwei Aussagen mit unterschiedlichem Informationsgehalt, was zwangsläufig zu Missverständnissen führt.

c) Andere Aussagen

In Rundfunkberichten wird ebenfalls die weibliche Pluralform eingesetzt, häufig in Interviews. Wenn dann z.B. von Kolleginnen oder Arbeiterinnen gesprochen wird, muss der Hörer entscheiden, ob es sich
– um den bewussten Einsatz des generischen Femininums (s.o.) handelt oder
– um eine etwas schludrige Aussprache von beispielsweise Kolleg[‚Glottisschlag‘]innen oder
– tatsächlich nur um Frauen handelt. Die Vorliebe für generisches Femininum, ‚Glottisschlag‘, Beidnennung (s.u.) oder generisches Maskulinum desjenigen, der die Aussage trifft, ist dem Hörer nicht bekannt, lässt sich bestenfalls aus weiteren Aussagen im Gespräch ableiten, bleibt aber uneindeutig.

 

Missverständnisse durch Beid- oder Einzelnennungen

Auch hier möchte ich einzelne, bereits genannte Beispiele erneut ansprechen.

a) Übersetzungen ins Deutsche (hier detailliert beschrieben)

„Three mexican citizens crossed the border to the United States“.

Je nach Übersetzungen ergeben sich daraus unterschiedliche, z.T. logisch falsche Aussagen:

„Drei mexikanische Bürgerinnen und Bürger überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten“
(im Gegensatz zur Vorlage wird der Fokus auf die Geschlechter gelegt, außerdem ist die Übersetzung logisch falsch, siehe Link)
„Drei mexikanische Bürgerinnen oder Bürger überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten“
(auch hier wird im Gegensatz zur Vorlage der Fokus auf die Geschlechter gelegt, die Übersetzung ist ebenfalls logisch falsch, gleicher Link)
„Drei mexikanische Bürgerinnen bzw. Bürger überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten“ (gleiche Kritikpunkte)
„Eine mexikanische Bürgerin und zwei mexikanische Bürger [Beidnennung] (oder zwei mexikanische Bürgerinnen und ein mexikanischer Bürger [Beidnennung] oder drei mexikanische Bürgerinnen (nur Frauen) oder drei mexikanische Bürger (nur Männer)) überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten“ (logisch zwar richtig, aber inhaltlich ist nur eine von vier Möglichkeiten richtig)
„Drei mexikanische Bürger überquerten die Grenze zu den Vereinigten Staaten“ [generisches Maskulinum].(Diese Übersetzung entspricht der Vorlage und weist keine logischen Konflikte auf)

Sie sehen, es kann durch die nebeneinander existierenden Benennungsweisen ziemlich unübersichtlich werden. Der naheliegende Schluss daraus wäre, sich auf EINE Version zu einigen, praktischerweise auf die, die seit Jahrhunderten einwandfrei funktioniert hat und die die Mehrheit der Bevölkerung wünscht und verwendet, nämlich das generische Maskulinum.

Wenn Sie jetzt einwerfen, das Thema Übersetzungen sei etwas spitzfindig und habe im Alltag keine große Bedeutung, dann entgegne ich Ihnen: Hunderte von Schriftstücken oder Bücher werden täglich ins Deutsche übersetzt, und jedesmal sollten Sie als Leser sich sicher sein, dass der Verfasser des Artikels die Aussage tatsächlich so getroffen hat, wie Sie sie lesen. Sobald Sie in einem in Gender-Zeiten übersetzten Text ein Geschlechterpaar (Beidnennung) vorfinden, ist daran Zweifel geboten.

b) Inkonsequente Beidnennung

Durch die Beidnennungspraxis ist eine veränderte Bedeutung der männlichen Pluralform zur bisherigen hinzugekommen, wie erwähnt. In „Bürgerinnen und Bürger“ sind die „Bürger“ jetzt biologisch männlich, wohingegen in Vor-Gender-Zeiten keine Aussage zu ihrem Geschlecht getroffen wurde.

Da sich Beidnennungsbefürworter aber vor einer konsequenten Anwendung der Beidnennung scheuen (wahrscheinlich um die partielle Akzeptanz der Gender-Sprache nicht zu gefährden), wird sie im Text meist nur knapp dosiert eingestreut, also zwischen Beidnennung und generischem Maskulinum relativ willkürlich gewechselt. Der geneigte Hörer oder Leser muss dann wieder entscheiden, ob es sich z.B. bei den genannten „Ärzten“ nun um Männer handelt oder Personen beider/aller Geschlechter.

Während eine durchgängige Anwendung des generischen Maskulinums klar von unbestimmten Geschlechtern der handelnden Personen ausgeht, und in dieser Unbestimmtheit EINDEUTIG (!) ist, sind durch die Beidnennungspraxis Zweifel an dieser Eindeutigkeit aufgekommen. Wenn dann auch noch, wie in der Online-Ausgabe des Duden, dafür das generische Maskulinum verantwortlich gemacht wird, dessen Anwendung aber gleichzeitig mehr und mehr gemieden wird, dann trifft einen schon der „Glottisschlag“.

c) Einzelnennung der Geschlechter im Wechsel

Um den Hörer oder Leser nicht permanent mit der „Zwei-Geschlechter“-Version („Bürgerinnen und Bürger“, „Schülerinnen und Schüler“ etc.) der deutschen Sprache zu langweilen und dadurch von der Kernaussage abzulenken, hat man die Vorzüge der Inkonsequenz entdeckt und wirft das Geschlechterpaar nicht nur, wie oben erwähnt, in größeren Abständen in den Raum, sondern verteilt die Geschlechter auch auf unterschiedliche Gruppen: „Ärzte und Pflegerinnen“. Soll eigentlich heißen: „Ärzte und Ärztinnen und Pflegerinnen und Pfleger“.

Bei der Aufzählung so vieler Geschlechter fällt gar nicht auf, dass die, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, in dieser Aufzählung nicht vorkommen. Aber was soll’s, Hauptsache kreativ. Nur geht es dabei nicht um sprachliche Stilmittel, sondern um präzise Aussagen. Nicht nur im Alltagsleben der meisten von uns, sondern auch in wissenschaftlichen Texten, und dort besonders in naturwissenschaftlichen, ist exakte Ausdrucksweise essenziell.

Legt man obiges Beispiel zugrunde, dann könnte ein Missverständnis aus der Frage resultieren, ob es sich nur um „Ärzte und Pflegerinnen“ handelt, die gegebenenfalls gemeinsam eine vergnügliche Party feiern (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), oder ob „Ärztinnen und Pfleger“ auch mit von der Partie sind.

 

Missverständnisse durch Partizipialformen

In den SWR-Nachrichten vom 6.12. kam die Meldung, dass die Zahl der BAföG-Empfänger gesunken sei. Wörtlich hieß es: „Die Zahl der Studierenden Schülerinnen und Schüler, […], ist um 8,3% gesunken.“ (Die hier offensichtlich inkorrekte Schreibweise bzw. Komma-Setzung ist Folge des Missverständnisses, s.u.)

Zwei unterschiedliche Inhalte stehen dem Hörer zur Auswahl (als Leser hat man es durch die Kommasetzung leichter, den Inhalt eindeutig zu verstehen):

1. „Die Zahl der studierenden Schülerinnen und Schüler, […], ist um 8,3% gesunken.“ und
2. „Die Zahl der Studierenden, Schülerinnen und Schüler, […], ist um 8,3% gesunken.“

Zwei inhaltlich sehr verschiedene Aussagen. Im ersten Fall sind nur Schüler („Schülerinnen und Schüler“) BAföG-Bezieher, im zweiten Fall neben den Schülern auch die Studenten („Studierende“). Aus dem Zusammenhang geht durchaus hervor, dass der letztere Fall gemeint sein dürfte, aber das ist nicht immer so evident.

„Forschende Studierende und interessierte Besucher trafen sich auf dem Campus der Universität“ könnte heißen:

1. „Forscher („Forschende“), Studenten („Studierende“) und interessierte Besucher trafen sich auf dem Campus der Universität“ oder
2. „Forschende Studenten (Studenten, die forschen) und interessierte Besucher trafen sich auf dem Campus der Universität“.

„Radfahrende Bürgerinnen und Bürger trafen sich auf dem Weinfest“.

Wurde das Weinfest nur von
1. Radfahrern („radfahrenden Bürgerinnen und Bürgern“) besucht oder neben
2. Radfahrern („Radfahrenden“) auch von anderen („Bürgerinnen und Bürgern“, die zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs waren)?

Diese Missverständnisse gab es in Vor-Gender-Zeiten nicht.

Ist Olaf Scholz also jetzt der 9. Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland oder der 8.? Das hängt davon ab, ob Angela Merkel der 8. Bundeskanzler war oder die 1. Bundeskanzlerin, was wiederum davon abhängt, ob man das generische Maskulinum gebraucht oder vermeidet. Lehnt man es ab, dann gehört Frau Merkel nicht in die Reihe der deutschen Bundeskanzler, zählt man sie dazu, muss man auch das generische Maskulinum akzeptieren.

Unter Vermeidung des generischen Maskulinums bezeichnen manche Angela Merkel als die beste Kanzlerin Deutschlands, was jedoch kein großes Lob ist für eine erste und bisher einzige Kanzlerin. In die gleiche Kategorie (kein generisches Maskulinum) fällt auch die Aussage, sie sei die 8. Kanzlerin. Dann wäre Gerhard Schröder übrigens die 7. Kanzlerin !

Dazu ein „Lösungsvorschlag“ der Sprachgenderin Susanne Schumann in der Zeitschrift „Brigitte“: „[…] sie (Angela Merkel, eigene Anmerkung) war “das erstes weibliches Kanzleroder so ähnlich“. Schlimm, aber entlarvend, zu sehen, welchen Wert manche „Journalisten“ der Sprache beimessen.

Hier zeigt sich, welche semantischen und logischen Konflikte man sich einhandelt, wenn man auf das generische Maskulinum verzichtet, was aber einigen anscheinend völlig egal ist.

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